In guten wie in schlechten Zeiten. In ganz Europa steht dieser Satz für Vertrauen und eine gemeinsame Zukunft. Nur nicht in Brüssel. Hier wird statistisch gesehen jede geschlossene Ehe wieder geschieden. Ist das ein schlechtes Omen für die wichtigste europäische Ehe der letzten zehn Jahre: die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion?
Kurz nach dem zehnten Hochzeitstag steht der Euroraum vor seiner größten Herausforderung. Die erste Verliebtheit ist verflogen. Offensichtliche Schwächen der anderen, wie z.B. unhaltbare Staatsfinanzen, wurden in Zeiten der ersten Schwärmerei einfach ignoriert. Durch die Finanzkrise und die Rezession ist die rosa Brille der Realität gewichen. Europäische Tigerstaaten sind auf einmal Schmuddelkinder geworden. Die Rendite-Spreads stehen auf dem höchsten Stand seit zehn Jahren. Die Finanzmärkte wetten gar auf ein Ende der Währungsunion.
Niemand kann mit absoluter Sicherheit sagen, dass der Euro bis in alle Ewigkeiten halten wird. Aber doch scheint all das Gerede über ein Ende der Währungsunion mehr aus Europhobischen Träumen entsprungen zu sein als nüchterner Realismus. Wer glaubt denn wirklich, dass Länder außerhalb des Euroraums besser aufgehoben wären als in der EWU? Ohne Euro würden die Finanzierungskosten für diese Staaten weiter steigen, nicht sinken. Eine Schuldenkrise ginge einher mit einer Währungs- und Bankenkrise. Ganz zu schweigen von der politischen Isolation in Europa.
Darüber hinaus stehen die öffentlichen Finanzen vieler Mitgliedsstaaten durch die Hilfspakete für Wirtschaft und Finanzsektor unter enormen Druck. Es ist fraglich, ob alle Länder ihren Finanzierungsbedarf an den Kapitalmärkten decken können. Das Risiko der Staatspleite nimmt zu. Trotz aller anderslautenden Beteuerungen würden in so einem Fall alle anderen Länder einspringen, um die Pleite zu verhindern. Die europäische Ehe soll länger halten als eine durchschnittliche Brüsseler Ehe. Die Therapeutenkosten werden jedoch nicht niedrig sein.
Letter from...Brussels, Euro am Sonntag,