Die Europäer in Brüssel sehen Europa gerne als echte Weltmacht. Die Klimaverhandlungen in Kopenhagen haben jedoch schmerzhaft gezeigt, dass die echten Entscheidungen ohne Europa getroffen werden. Ein starkes Europa ist immer noch mehr Schein als Sein. Das gilt nicht nur auf der politischen Bühne, sondern auch auf der wirtschaftlichen. Der starke Euro hat in den letzten Jahren zwar den Europäischen Exporteuren das Leben schwer gemacht, in Brüssel jedoch für ein neues Selbstwertgefühl gesorgt. Jetzt droht dem Euro das gleiche Schicksal wie der Politik: eine Rückkehr auf den Boden der Tatsachen.
Bis Ende letzten Jahres gingen Risikofreude der Anleger und Wechselkurse Hand in Hand. Die Nullzinspolitik der amerikanischen Fed machten Anlagen in Europa und Schwellenländern interessanter. Das Ende des US Dollars als internationale Leitwährung schien eingeläutet. Im gerade angebrochenen Jahr sollten Anleger jedoch vorsichtig sein mit dieser neuen Faustregel. Was Wechselkursentwicklungen betrifft ist Risikoappetit Schnee von gestern – 2010 wird das Jahr der Zinsdifferenzen.
Die Abgesänge auf die amerikanische Wirtschaft sind erst einmal verklungen. Der Arbeitsmarkt scheint das Schlimmste hinter sich zu haben und auch der geplagte Immobilienmarkt stabilisiert sich. Die amerikanische Wirtschaft wird dieses Jahr zum ersten Mal seit 2005 wieder stärker wachsen als die europäische. Zeit für die Fed, sich langsam mit Zinserhöhungen zu beschäftigen. Das tut die EZB auch, aber Zinserhöhungen werden in Amerika eher und aggressiver kommen als in Europa und den Dollar bis zum Ende des Jahres beflügeln.
Doch der Schein trügt. 2010 wird nur ein zinsbeflügeltes Intermezzo. Asiatische Länder, allen voran China, warten nur auf den richtigen Augenblick, Teile ihrer Dollarreserven zu verkaufen. Der Amerikanische Exportsektor kann sich auch Besseres vorstellen als einen geschäftsschädigenden starken Dollar, und die amerikanischen Konsumenten müssen sich auch noch an ein Leben ohne Kauf auf Pump gewöhnen. Der Euro wird spätestens 2011 wieder glänzen.
Aus: Euro am Sonntag, 10.1.2010, Letter from...Brussels
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