Sunday, June 15, 2014
Prinzip Hoffnung
Eigentlich geht es Mario Draghi so wie Joachim Löw. Beide setzen alles daran, um endlich den großen Sieg zu landen. Der eine will den WM-Titel, der andere den Sieg über Rezession und Deflation. Beide setzen dabei auf die Offensive und auf das Prinzip Hoffnung.
Joachim Löw setzt in Brasilien auf einen einzigen Stürmer. Er hofft auf den Torinstinkt anderer Mitspieler. Im Aufgebot von Mario Draghi gegen Rezession und Deflation gibt es nicht mal einen richtigen Stürmer. Alle Maßnahmen, die letzte Woche präsentiert wurden sind nicht die große Trendwende für den Euroraum und werden auch nicht zu einem Durchstarten des Kredit- und Wirtschaftswachstums führen.
Die EZB-Entscheidungen erleichtern vor allem für südeuropäische Banken nochmals die Finanzierungskosten. Die Banken können vor allem über die sogenannte TLTRO vier Jahre an extrem billiges Geld kommen. Das sollte sich bei den Konditionen für Kreditkunden schon bemerkbar machen. Es bleibt allerdings dabei, dass das schrumpfende Kreditwachstum im Euroraum nicht nur ein Angebots- sondern auch ein Nachfrageproblem ist. Große Unternehmen sind im Augenblick häufig gut mit Kapital ausgestattet oder haben einen guten Marktzugang, so dass die Kreditnachfrage eher gering ist. Es sind vor allem die südeuropäischen Mittelständler, die schwer an neue Kredit kommen. Aber auch für sie bringen die EZB-Maßnahmen nur beschränkt Besserung. Letztendlich ist bei einer Kreditvergabe nicht so sehr der Preis von EZB-Geld entscheidend, sondern viel mehr das Kreditrisiko und das verändert sich nicht.
So überwiegt bei Mario Draghi deutlich das Prinzip Hoffnung. Die Hoffnung, dass die neuesten Maßnahmen vielleicht im Herbst, nach den Ergebnissen des Bankenstresstests und weiteren Strukturreformen der Regierungen, wenigstens eine kleine Anschubhilfe für Kreditwachstum und Konjunktur leisten können. Da geht es Draghi dann doch besser als Joachim Löw. Der hat nicht bis zum Herbst Zeit.
Gastbeitrag in der Euro am Sonntag vom 14.6.2014
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