Die Krise ist vorbei. Die Aufräumarbeiten können nicht schnell genug beginnen. So oder so ähnlich klang in den letzten Wochen der Tenor Europäischer Politiker und Zentralbanker. Beim letzten Europäischen Rat in Brüssel Ende Juni sahen die Regierungsleiter die europäische Wirtschaft schon auf dem Weg zu einem anhaltenden Aufschwung. Letzte Woche verkündete das deutsche Wirtschaftsministerium sowie viele Experten gar das Ende der Rezession in Deutschland. Gleichzeitig sinnieren EZB Präsident Trichet und Bundesbank Präsident Weber aber auch Politiker jeglicher Parteizugehörigkeit über schnelle Ausstiegstrategien aus dem Krisenmanagement. Stehen wir am Vorabend von unerwarteten Zins- und Steuererhöhungen?
Für die Geldpolitik scheint das Abwickeln des Krisenmanagements relativ unproblematisch. Die EZB hat bei all ihren unkonventionellen Maßnahmen zur Wiederbelebung des Geldmarktes immer schon den schnellen Ausstieg im Hinterkopf gehabt. Deshalb ist man auch nicht dem Beispiel anderer Zentralbanken gefolgt und man hat nicht risikoreiche Papiere der Geschäftsbanken auf die eigene Bilanz übertragen. Wenn die EZB die überflüssige Liquidität aus dem Markt zurückholen will, muss sie einfach nur den Geldhahn zudrehen und ordentlich mit dem Putzlappen aufwischen. Die Ausfahrtsstraße der EZB sieht daher recht überschaubar aus, auch wenn erst ganz am Ende der Strasse Zinserhöhungen am Ausfahrtsschild stehen.
Für die Staatsfinanzen sieht die Sache schon etwas schwieriger aus. Hier wurde und wird Steuergeld ausgegeben, das letztendlich zurückverdient werden muss. Einfach nur den Wasserhahn zudrehen, reicht nicht. Über die Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung gibt es keinen Zweifel. Die jüngeren Generationen sollten nicht unter den Altlasten leiden müssen. Die demographischen Entwicklungen kennen keine Finanzkrise und der Druck auf Sozialsysteme und Renten wird in den nächsten Jahren nur noch zunehmen. Die Schulden müssen runter und das Wirtschaftswachstum muss rauf. Unmöglich? Es gibt eine Reihe empirischer Studien, die einen positiven Zusammenhang zwischen Haushaltskonsolidierung und Wirtschaftswachstum zeigen. Das klappt aber nur, wenn die Haushaltskonsolidierung an der Ausgabenseite stattfindet, nicht an der Einnahmenseite. Weniger Ausgaben der öffentlichen Hand können viel eher zu niedrigen Zinsen und einer Abnahme der Sparquote führen und damit das Wirtschafswachstum stärken.
Die Europäische Kommission und der Europäische Rat haben die meisten Mitgliedsstaaten aufgerufen, um nächstes Jahr mit der Konsolidierung zu beginnen. Wie lobenswert und erstrebenswert die Zielvorhaben für nächstes Jahr auch sind, so unrealistisch erscheinen sie. Trotz eines leichten Aufschwungs wird die Produktionslücke auch 2010 noch weiter aufklaffen. Das heißt, dass sich der Arbeitsmarkt weiter verschlechtern aber in keinem Fall verbessern wird. Ein zu frühes Sparen der öffentlichen Hand könnte den fragilen Abschwung abwürgen. Ein Blick auf die letzten 20 Jahre zeigt außerdem, dass im Euroraum noch nie eine Haushaltskonsolidierung begonnen hat, solange die Produktionslücke noch gewachsen ist.
Kaum ein europäischer Politiker hat den Zeitplan der Ausstiegsstrategie in Frage gestellt. Nur keine Probleme machen, scheinen sich viele zu denken. Jetzt Zusagen und Versprechen machen und dann weitersehen. Reine Lippenbekenntnisse. Die Ausstiegsstrategie muss deutlich, glaubwürdig aber auch realistisch sein. Unrealistische Zielstellungen riskieren das endgültige Ende des europäischen Stabilitätspakts im nächsten Jahr. Eine bessere Ausstiegsstrategie ist die deutsche Schuldenbremse. Ein deutliches, glaubwürdiges Bekenntnis zum langfristigen Haushaltsausgleich, das gleichzeitig genug Spielraum zur Überwindung der jetzigen Krise bietet.
Wie auf der Autobahn kommt es auch bei der Ausstiegsstrategie auf das richtige Timing an. Fährt man zu schnell auf der Überholspur, kann man in aller Eile auch schon mal die Ausfahrt verpassen. Europa muss das Tempo etwas drosseln und sich langsam einordnen. Das Ausfahrtsschild kommt erst nächstes Jahr in Sicht.
Artikel in Euro am Sonntag, 19.7.2009
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