Nein, große Jubelstürme waren in Brüssel nicht zu vernehmen. Auch keine Eurokraten, die mit Hupkonzert über Brüsseler Straßen fuhren und die Europäische Flagge aus den Autofenstern schwenkten. Aber dennoch, das Irische „ja“ zum Lissabonner Vertrag verursachte doch in Brüssel einen kollektiven Erleichterungsseufzer. Die Krise hat deutlich gemacht, welche Schutzfunktion Europa und der Euro vor allem für kleine Ländern haben. In der Krise gab es zwischen Island und Irland eigentlich nur zwei Unterschiede: das „r“ im Namen und den Euro.
Auf dem Weg zur vollendeten Europaeischen Glückseligkeit fehlt jetzt nur noch das o.k. aus Tschechien. Das tschechische Verfassungsgericht wird den Lissabonner Vertrag wohl bald als gesetzeskonform bewerten. Präsident Vaclav Klaus bleibt jedoch ein ungesteuertes Projektil. Er zögert schon lange mit seiner Unterschrift und fühlt sich deutlich wohl in der Rolle als Europäischer Spielverderber. Da der Druck nach dem Irischen Ja auf Klaus deutlich zugenommen hat, muss nun eines der größten historischen Traumas der Tschechen herhalten: die Sudetendeutschen. In einem letzten Verzweiflungsakt, fordert Klaus Sonderregelungen zur Grundrechtecharta, um alte die Rückgabeforderungen von Vertriebenen des Zweiten Weltkriegs.
Das alles ist viel politisches Ballyhoo und spätestens beim nächsten Gipfeltreffen der EU-Regierungschefs Ende Oktober wird man sich auf einen typischen Europaeischen Kuhhandel einigen können. Vaclav Klaus wird nicht der Stolperstein des Lissabonner Vertrags werden. Europa wird nächstes Jahr den langersehnten neuen Vertrag haben. Und dann? Der neue Vertrag spielt eigentlich nur für die Tribüne, nicht für Tore. Natürlich der Vertrag macht Europa flexibler, verringert Blockademöglichkeiten, gibt dem Europaeischen Parlament eine größere Rolle, den nationalen Parlamenten mehr Macht und dem Buerger sogar das Recht auf Buergerinitiativen. Das alles reicht für Begeisterungsstürme in Brüssel. Menschen und Märkte wollen jedoch Tore sehen und nicht nur schöne Kombinationen.
"Letter from...Brussels", Euro am Sonntag, 17.10.2009
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