Ganz Brüssel erstarrt mittlerweile in Ehrfurcht vor Europa’s neuem Superman: Deutschland. Nichts geht mehr ohne Berlin. Politische Dickköpfigkeit und der erfolgreiche Wandel vom kranken Mann zum unangefochtenen Wachstumssuperstar scheinen eine neue Ara von deutscher Dominanz eingeleitet zu haben.
Natürlich geht es im Augenblick gut mit der deutschen Wirtschaft. Der starke Arbeitsmarkt, konkurrenzfähige Unternehmen, reichgefüllte Auftragsbücher und relativ gesunde Staatsfinanzen sind eine gute Versicherung gegen die Misere vieler anderer Euro-Länder.
Bei so viel Beweihräucherung ist jedoch Vorsicht geboten. Hinter starken Exportzahlen verstecken sich schon niedrigere Gewinnmargen, um Marktanteile zu halten. Wenn der Rest Europas in die Rezession abgleitet, der amerikanischen Konjunktur in der zweiten Jahreshälfte die Luft ausgeht und auch China schwächelt, müsste schon Leben auf dem Mars entdeckt werden, um die Exporterfolge der letzten Jahre fortzusetzen. Natürlich stärkt der stabile Arbeitsmarkt die Inlandsnachfrage. Aber mit zunehmendem Druck auf den Exportmärkten sinkt die Wahrscheinlichkeit höherer Lohnabschlüsse und der hohe Ölpreis wird auch seine Spuren hinterlassen.
Will man das Wirtschaftswunder der letzten zwei Jahre fortsetzen, bedarf es weiterer Strukturreformen. Im Augenblick zehrt die deutsche Wirtschaft noch von den durch ex-Kanzler Schroeder angestoßenen Reformen. Beim ganzen Euro-Retten vergisst man jedoch die eigenen Hausarbeiten. Laut einer aktuellen OECD Studie ist Deutschland mittlerweile nämlich Schlusslicht bei der Durchführung neuer Strukturreformen.
Die deutsche Wirtschaft wird in den nächsten Jahren das Beste bleiben, was Europa zu bieten hat. Wenn man sich jedoch zu lange auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausruht, kann aus dem Wachstums-Superman sehr schnell der Einäugige im Land der Blinden werden. Dominanz sieht anders aus.
Dieses Stueck erschien heute als "Letter from Brussels" in der "Euro am Sonntag"
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