Ohne
Französisch geht in Brüssel fast gar nichts. Ob nun im Café oder in den
Gängen der Europäischen Kommission. Ohne französische Sprachkenntnisse
kann man schon mal
verdursten oder bleiben Türen geschlossen. Jeder Neu-Brüsseler hat daher
auch ein französisches Wörterbuch im Gepäck.
Die
„Grande Nation“, Frankreich, ist auf dem besten Weg der neue kranke
Mann der Eurozone zu werden. Langsam, aber sicher, hat sich Frankreich
wirtschaftlich aus dem
Kreis der Kernländer des Euroraums verabschiedet. Die hohe
Arbeitslosigkeit, die schwindende Wettbewerbsfähigkeit der Industrie,
das hohe Haushaltsdefizit und die schnell steigende Staatsschuld sind
hausgemachte Probleme, die nur langsam in den Griff zu bekommen
sind.
Mit
dem wirtschaftlichen Abschwung folgt im Augenblick auch der Abgang
Frankreichs von der europäischen Bühne. Während französische Ideen für
die Zukunft der Eurozone
Mangelware sind, hat die deutsche Regierung die Deutungshoheit
übernommen. Dazu kommen regelmäßige Störfeuer. Hollande’s offene Kritik
an Angela Merkel während und nach dem französischen Wahlkampf,
übertriebene Siegerposen nach dem Euro-Gipfel im Sommer und
der versuchte Aufbau einer Anti-Merkel Allianz aus südeuropäischen
Ländern waren mehr als nur Störfeuer.
Die
Ideen zur Zukunft des Euros liegen weit auseinander. Deutschland will
bedingte Integration. Frankreich die bedingungslose Haftungsunion. Ein
Kompromiss zwischen Gleichstarken
wäre ein zu schwacher Kompromiss für den Euro. Was Jahrzehnte lang
undenkbar war, könnte jetzt vielleicht sogar ein Segen für den Euro
sein: eine schwache deutsch-französische Achse.
Den
Kaffee wird man in Brüssel in den kommenden Monaten wohl weiterhin auf
Französisch bestellen müssen. Für den weiteren Weg der Euro-Krise kann
das französische Wörterbuch
aber guten Gewissens weggeschmissen werden.
Dieser "Letter from Brussels" wurde schon in der 'Euro am Sonntag' veroeffentlicht.
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