Monday, December 2, 2013
Freund oder Feind?
Die Brüsseler Beamten haben in Europa nicht viele Freunde. Wer ständig Einsparungen und schmerzvolle Reformen propagiert, muss sich nicht wundern, dass die Zahl der Freunde überschaubar ist. Daher freut man sich jetzt umso mehr, dass man ab Januar einen neuen Geistesverwandten begrüßen kann.
Im Januar tritt mit Lettland das 18. Mitglied der Währungsunion bei. Für viele ist dieser Beitritt das logische Ende einer wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte. In den letzten Jahren hat Lettland eine wirtschaftliche Rosskur durchgezogen. Mit Gehaltskürzungen von mehr als 20% und einem strikten Sparkurs hat das Land sich an den eigenen Haaren aus der Rezession gezogen und gleichzeitig für den Euro qualifiziert. Für viele ist Lettland ein leuchtendes Beispiel dafür, dass sich ein langer Leidenswert auch lohnen kann und dass Austerität und Wachstum kein Widerspruch sind, sondern Voraussetzungen für neues Wachstum sein können.
In Brüssel und Deutschland freuen sich einige jetzt schon, dass man endlich einen Verbündeten dazu bekommt. Einen Verbündeten, der solide Staatsfinanzen und Reformen vorlebt. Einen Verbündeten im Kampf gegen die Reformverweigerer und Verschwender in Südeuropa.
Man sollte sich nicht zu früh freuen. Hinter der glänzenden Fassade schlummert nämlich eine sehr unangenehme Seite. Ein großer Finanzsektor, eine starke Abhängigkeit der Banken von ausländischen Bankeinlagen und dubiöses Geld aus ehemaligen Sowjetstaaten wecken Erinnerungen an einen kleinen Inselstaat im Mittelmeer. Die drittniedrigste Körperschaftsteuer aller EU-Staaten und die Abschaffung der Quellensteuer auf Gewinnausschüttungen könnten aus Lettland schnell eine internationale Steueroase machen.
So groß die Freude über die Attraktivität des Euroraums auch ist, die Brüsseler Beamten müssen aufpassen, dass es nicht bald heißt: mit solchen Freunden braucht man keine Feinde.
Diese Kolumne erschien eher als 'Letter from...Brussels' in der Euro am Sonntag.
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